Im Stall finde ich Erwin Bandli beim Heu aufschütteln. Er und seine Frau sind früher weit gereist. So kam es vielleicht auch, dass etwas andere Tiere ihren Bündner Hof beherbergen: Lamas kommen neugierig auf mich zu getrappelt. Ein Kamel schiebt seinen Kopf immer näher an mich heran, gibt mir scheinbar einen Begrüssungskuss. Seine Nähe entspannt mich, ja, sie hat eine Art meditative Wirkung... Die Stoik der Zweihöckrigen aus der kalten Wüste trügt aber. Bandlis gehen jede Woche eine Runde mit ihren beiden Kamelen spazieren, sonst fangen sie an Schabernack zu treiben. Bei unserem Spaziergang kommen wir an der Genossenschaftsmetzgerei vorbei, wo alle direktvermarktenden Bauern des Tals schlachten lassen.
Am Nachmittag begrüsse ich die 26-köpfige Yak-Herde. Die kleinen zottligen Rinder stammen ursprünglich aus tibetischem Gebiet. In der Höhe der Schweiz fühlen sie sich aber sichtlich wohl und kommen mit der grasigen Futtergrundlage einwandfrei zurecht. Yaks sind im Gegensatz zu hiesigen Rinderrassen leichter und geländegängiger. So können sie auch sehr steile Alpen beweiden.
Die Jungen werden im Sommer auf der Alp geboren. Yaks mögen dabei ohnehin nicht gestört werden. Bis alle gekalbert haben, werden sie aber täglich besucht. Mit gutem Grund, wie sich letzten Juli zeigte: Odoi (was so viel heisst wie Zwerg) ging seiner Mutterkuh verloren und wurde erst nach intensivem Sucheinsatz ganz am Rand der Weide gefunden. Weil ihn seine Mutter dann nicht mehr annahm, wurde der damals elf Kilogramm leichte und ziemlich unterkühlte Junge mit der Flasche aufgezogen. In den ersten vier Wochen ist Angelika alle zwei Stunden aufgestanden, um ihn mit fettiger Schafmilch zu schöppelen. Heute gehört Odoi dafür zur Familie wie der Hund.
Bandlis versorgen sich zu einem grossen Teil vom Fleisch ihrer eignen Tiere und sechs Aren Acker. Im Keller stehen unzählige Einmachgläser, es lagern Kartoffeln und Kohl hängt kopfüber an der Decke. Käse und Milch bekommen sie von Bekannten. Nur Getreideprodukte, Quark und Früchte müssen sie auswärts einkaufen. Das Brot backen sie selbst im eigenen Holzofen, den der Sohn gebaut hat. Geld verdienen sie mit der Fleischvermarktung, Schneeschuhtouren und Lammtrekkings. Nicht zuletzt wird ihr Betrieb auch mit Direktzahlungen des Bundes unterstützt. Dies um die Alpweiden und damit das Kulturland und die Biodiversität zu erhalten.
Obwohl im Winter die ruhige Zeit und der nächste Heusommer noch weit ist, falle ich körperlich erschöpft, aber frei in Kopf und Herzen ins Bett.